 
															Vor wenigen Tagen habe ich eine neue Studie der Creditreform Wirtschaftsforschung gelesen. Und sie bestätigt, was ich täglich in Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern erlebe: Die Betriebsnachfolge im Mittelstand wird noch immer zu spät geplant.
Die Zahlen sind mehr als nur statistisch interessant, sie sind ein Weckruf.
Die Studie zeigt: Rund 145.500 Unternehmen in Deutschland gelten aktuell als übergabereif.
Die Untersuchung basiert auf 373.400 etablierten mittelständischen Betrieben – analysiert nach Alter, Struktur und wirtschaftlicher Aktivität.
Die Ergebnisse im Überblick:
In 39 % der Unternehmen ist mindestens ein Inhaber über 60 Jahre alt.
Bei Firmen mit nur einem Gesellschafter trifft dies auf 32 % zu.
In Betrieben mit mehreren Gesellschaftern ist in 22 % der Fälle mindestens eine Person unter 40 – das zeigt Tendenzen zur internen Nachfolge, gibt aber keine Sicherheit.
Mit anderen Worten: Fast jedes dritte Unternehmen in Deutschland muss sich in den kommenden Jahren ernsthaft mit der Übergabe beschäftigen.
Noch alarmierender ist die zweite Zahl der Studie:
231.000 Betriebe in Deutschland planen bis Ende 2025 konkret ihren Rückzug.
Das sind 67.500 mehr als im Vorjahr. Ein dramatischer Anstieg.
Weitere 310.000 Unternehmer denken mittelfristig über eine Geschäftsaufgabe in 3–5 Jahren nach.
➡️ Der Hauptgrund: fehlende oder gescheiterte Nachfolgeregelungen.
Das bedeutet: In vielen Regionen drohen nicht nur Firmen zu verschwinden, sondern auch Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze und ganze Wertschöpfungsketten.
In meiner Arbeit mit Unternehmerfamilien erlebe ich immer wieder dieselben Muster:
Zu späte Planung
Viele Unternehmer beginnen erst mit über 60, sich mit der Nachfolge auseinanderzusetzen. Für eine saubere Vorbereitung – oft inklusive rechtlicher und steuerlicher Fragen – ist das zu spät.
Keine geeigneten Nachfolger
Weder in der Familie noch im Kreis der Mitarbeitenden findet sich jemand, der bereit oder fähig ist, das Unternehmen zu übernehmen.
Veränderte Lebensrealitäten
Junge Menschen sind zurückhaltender geworden, was die Übernahme von Verantwortung angeht. Gerade in unsicheren Zeiten erscheint Unternehmertum für viele weniger attraktiv.
Das Ergebnis: Die Verantwortung wird aufgeschoben, bis der Druck zu groß wird und die Optionen schrumpfen.
Oft ist die Blockade nicht fachlicher oder finanzieller Natur, sondern emotional:
Angst, das Lebenswerk in falsche Hände zu geben
Schuldgefühle gegenüber Mitarbeitenden oder Familienmitgliedern
Unsicherheit, was nach dem Rückzug kommt
Diese Gefühle sind real. Und sie führen dazu, dass viele Unternehmer lieber gar nicht entscheiden, statt eine Lösung zu suchen. Doch genau dieses Zögern gefährdet die Zukunft des Betriebs.
Viele denken bei Betriebsnachfolge automatisch an die Familie. Doch eine Übergabe innerhalb der Familie ist nur eine von mehreren Optionen. Erfolgreich sein können auch:
Management-Buy-in (MBI): Übergabe an eine oder mehrere Führungskräfte aus dem Unternehmen.
Management-Buy-out (MBO): Mitarbeitende übernehmen selbst Anteile oder die volle Verantwortung.
Strategischer Investor: Verkauf an ein anderes Unternehmen mit Interesse am Geschäftsfeld.
Genossenschaft oder Beteiligungsmodell: Gemeinsame Verantwortung, oft mit regionalem Bezug.
Entscheidend ist, frühzeitig zu prüfen, welcher Weg passt zur Firma, zu den Menschen, zu den eigenen Zielen.
Vor einiger Zeit begleitete ich ein Maschinenbauunternehmen mit 80 Mitarbeitenden. Der Inhaber war 63 Jahre alt, topfit, aber müde vom ständigen Druck. Er sprach immer wieder davon, „irgendwann“ in den Ruhestand zu gehen ohne einen konkreten Plan.
Das Problem: Die Belegschaft war verunsichert, potenzielle Nachfolger aus der Familie wollten nicht, und externe Interessenten gab es zwar, aber der Inhaber blockte ab.
In unseren Gesprächen wurde klar: Nicht das „Wie“ war das Problem, sondern das „Loslassen“. Erst als wir diese emotionale Hürde offen besprochen haben, kam Bewegung ins Spiel. Heute ist die Nachfolge geregelt durch ein MBO mit zwei langjährigen Führungskräften.
Früh anfangen
Spätestens ab dem 55. Lebensjahr sollte ein Unternehmer ernsthaft mit der Nachfolgeplanung beginnen. So bleibt genug Zeit, Optionen zu prüfen und vorzubereiten.
Klar kommunizieren
Rede mit Familie, Mitarbeitenden und potenziellen Partnern. Schweigen schafft Unsicherheit, Offenheit schafft Vertrauen.
Externe Perspektive nutzen
Ein neutraler Sparringspartner kann emotionale Verstrickungen lösen und Wege aufzeigen, die man allein nicht sieht.
Wenn du Unternehmer:in bist und gerade an dem Punkt stehst, an dem du über Stilllegung oder Rückzug nachdenkst, gib nicht vorschnell auf.
Viele, die heute erfolgreich übergeben haben, standen genau dort, wo du jetzt bist.
Sie haben Lösungen gefunden, weil sie frühzeitig begonnen haben, ihre Betriebsnachfolge zu planen.
Die aktuellen Studien zeigen: Betriebsnachfolge planen ist kein Randthema. Es ist eine der größten Aufgaben für den Mittelstand.
Wer zu spät handelt, riskiert nicht nur den Verlust einer Firma. Es geht um Arbeitsplätze, um Innovation und um die Zukunft ganzer Regionen.
Darum: Fang heute an.
Nicht, weil es dringend ist, sondern weil es wichtig ist.
Ein Gedanke, eine Idee oder ein Aha-Moment, direkt aus der Praxis.