1995. Ich bin 27 Jahre alt und darf zum ersten Mal ein Team führen. Fest entschlossen, alles anders zu machen als meine bisherigen Vorgesetzten.
Kein Druck, keine Demütigungen, keine unfairen Vorverurteilungen.
Ich will Vertrauen schaffen. Motivation. Miteinander. Zusammenarbeit.
Und es klappt. Mein Team arbeitet erfolgreich. Offen. Konstruktiv.
Doch dann passiert es immer wieder:
Aussagen, die mich triggern.
Verhaltensweisen, die mich innerlich hochkochen lassen.
Situationen, die mich denken lassen:
„Das kann doch wohl nicht wahr sein …“
Doch, es ist wahr. Und genau hier beginnt die eigentliche Arbeit einer Führungskraft.
Heute, viele Jahre später, weiß ich:
Wenn mich etwas im Business emotional aufwühlt, dann ist das ein Signal.
Nicht, um auf andere zu zeigen.
Sondern um bei mir selbst hinzuschauen:
Was genau ärgert mich gerade?
Welche Erwartung wurde enttäuscht?
Was hatte ich mir insgeheim vorgestellt, ohne es klar zu kommunizieren?
Fast immer entdecke ich dabei:
Es ist meine Vorstellung vom „richtigen Verhalten“, die zur Enttäuschung führt.
Nicht unbedingt ein objektiver Fehler des anderen.
Diese Erkenntnis ist unbequem. Aber sie ist der Schlüssel für Wachstum.
Als Führungskraft ist es leicht, in die Reaktion zu rutschen:
Ärger über eine unpassende E-Mail
Frust über fehlende Eigenverantwortung
Genervtheit, wenn jemand scheinbar „absichtlich“ missversteht
Die entscheidende Frage lautet jedoch:
Habe ich meine Erwartungen wirklich klar gemacht?
Beispiel:
Wurde die Aufgabe präzise besprochen?
Hat der Mitarbeitende sie mit eigenen Worten zurückgespiegelt?
Oder habe ich sie „im Vorbeigehen“ zugerufen und war dann überrascht, dass sie nicht erfüllt wurde?
Diese ehrliche Reflexion bringt fast immer mehr Klarheit als jede Kritik am Gegenüber.
Statt zu urteilen, fragen.
Statt Druck zu machen, hinsehen.
Statt still zu ärgern, das Gespräch suchen.
Hier entsteht echter Fortschritt im Unternehmen.
Denn: Die Qualität der Einzelgespräche schlägt jedes Teammeeting.
Ich habe in solchen Momenten mehr über Prozesse gelernt als in stundenlangen Sitzungen mit zehn Leuten.
Weil es da um Wirklichkeit geht und nicht um Rollen. Nicht um Status. Sondern um das, was im Arbeitsalltag tatsächlich passiert.
Viele sehen in Triggern nur eine Störung.
Doch richtig genutzt, sind sie ein Katalysator:
Wenn du als Führungskraft nicht impulsiv, sondern reflektiert reagierst – entsteht Vertrauen.
Wenn du dich selbst infrage stellst, statt sofort andere – entsteht Respekt.
Wenn du Dialog über Emotion stellst – entsteht Verbindlichkeit.
Und genau diese Verbindlichkeit sorgt dafür, dass:
weniger Fehler passieren
weniger Konflikte eskalieren
mehr gemeinsam gelernt wird
Das Autoritätsthema
Du ärgerst dich, wenn Mitarbeitende „zu viel“ hinterfragen? Vielleicht triggert es nicht Respektlosigkeit – sondern deine eigene Unsicherheit.
Das Perfektionismus-Thema
Jede Abweichung vom Plan macht dich nervös? Vielleicht liegt das weniger an der Aufgabe – sondern an deinem inneren Anspruch, immer 120 % liefern zu müssen.
Das Loyalitätsthema
Du fühlst dich verletzt, wenn jemand eine Idee nicht sofort unterstützt? Oft steckt hier der Wunsch nach Anerkennung – nicht ein echter Mangel an Loyalität.
Wer diese Muster erkennt, kann anders reagieren und die Energie des Moments in Wachstum verwandeln.
Ich habe über 25 Jahre mit Unternehmern, Führungskräften und Teams gearbeitet.
Hier drei Situationen, in denen emotionale Trigger im Business zum Wendepunkt wurden:
Fall 1: Die E-Mail mit CC
Ein Geschäftsführer rastete fast jedes Mal innerlich aus, wenn Mitarbeitende ihn in CC setzten. „Die wollen mich kontrollieren!“ dachte er. In Wahrheit hatten die Mitarbeitenden schlicht Angst, er könnte sagen: „Warum wusste ich davon nichts?“ Der Trigger war sein eigenes Bedürfnis nach Kontrolle. Die Lösung: Klare Regeln, wann CC sinnvoll ist und wann nicht.
Fall 2: Der stille Mitarbeiter
Eine Abteilungsleiterin fühlte sich von einem Mitarbeitenden provoziert, weil er in Meetings kaum sprach. Ihr Gedanke: „Der macht das absichtlich, um mich zu testen.“ Erst im Gespräch kam heraus: Der Mitarbeiter war extrem introvertiert und brauchte einfach länger. Der Trigger lag in ihrer Erwartungshaltung.
Fall 3: Der Junior-Chef im Familienbetrieb
Ein Sohn, frisch in die Geschäftsführung geholt, fühlte sich von seinem Vater ständig kritisiert. Jedes „Das geht besser“ war für ihn ein Schlag. Erst als beide verstanden, dass der Vater aus Fürsorge und Erfahrung handelte – nicht aus Misstrauen – entspannte sich die Lage.
Diese Beispiele zeigen: Trigger sind nicht das Ende von Zusammenarbeit. Sie sind der Anfang von ehrlicher Reflexion.
Erkennen statt verdrängen
Nimm wahr, wenn dich etwas emotional aufwühlt. Stoppe die automatische Reaktion. Atme. Frag dich: „Warum genau regt mich das gerade so auf?“
Reflektieren statt urteilen
Schreib auf, was du erwartet hast und was passiert ist. Meist liegt die Lücke dazwischen. Wenn du sie benennst, wird das Gespräch klarer.
Dialog statt Monolog
Sprich die Situation offen an ohne Schuldzuweisung. Zum Beispiel: „Ich habe gemerkt, ich war enttäuscht, weil ich gedacht habe, dass …“ Das öffnet Räume, statt Mauern zu bauen.
Was mich früher „verrückt“ gemacht hat, ist heute mein inneres Frühwarnsystem.
Ein Trigger zeigt mir:
Hier stimmt etwas nicht mit meiner Erwartung.
Hier ist ein altes Muster aktiv.
Hier liegt eine Chance, zu lernen und klarer zu führen.
Statt Trigger zu bekämpfen, nutze ich sie heute als Radar für Entwicklung.
Emotionale Trigger im Business sind unbequem aber wertvoll.
Sie zeigen, wo Klarheit fehlt, wo Kommunikation hakt, wo persönliche Muster im Weg stehen.
Wer sie erkennt und konstruktiv nutzt, gewinnt:
mehr Ruhe in Konflikten
mehr Verbindlichkeit im Team
mehr Vertrauen in die Führung
Führung heißt nicht, Trigger zu vermeiden.
Führung heißt, mit ihnen zu wachsen.
Und am Ende ist es genau dieser Umgang mit Emotionen, der den Unterschied macht zwischen Führungskräften, die nur reagieren, und Unternehmern, die gestalten.
Ein Gedanke, eine Idee oder ein Aha-Moment, direkt aus der Praxis.