„Was wollen wir eigentlich nicht loslassen?“
Diese Frage taucht oft auf, wenn ich mit Unternehmerinnen und Unternehmern arbeite, deren Betriebe seit Jahren stabil laufen und trotzdem schleicht sich das Gefühl ein, irgendwie festzustecken.
Klingt das vertraut?
Die Tage sind voll, die To-do-Liste wird länger
Probleme wiederholen sich in ähnlicher Form
Der Betrieb funktioniert, doch der Fortschritt fehlt
Oft liegt die größte Blockade nicht im Markt, nicht bei der Konkurrenz und nicht bei den Kunden, sondern im Inneren des Unternehmens.
Routinen im Unternehmen sind nicht per se schlecht. Sie sorgen für Effizienz, Verlässlichkeit und Planbarkeit.
Gerade im Mittelstand sind sie oft der Grund, warum Prozesse reibungslos funktionieren, Teams eingespielt arbeiten und Kunden seit Jahrzehnten bleiben.
Aber: Was gestern ein Erfolgsfaktor war, kann heute zum Bremsklotz werden.
Was früher effizient war, ist heute überholt
Was Sicherheit gab, verhindert jetzt Entwicklung
Was Orientierung bot, erzeugt operative Überlastung
Der Knackpunkt: Diese Veränderung passiert schleichend und bleibt oft unbemerkt, weil das Tagesgeschäft zu laut ist.
Beispiel:
Ein Familienunternehmen, das seit 25 Jahren mit denselben Lieferanten arbeitet, ignoriert über Jahre neue Technologien in der Beschaffung. Das hat einmal Sicherheit gegeben. Heute verpasst es Preisvorteile und Innovationen.
Menschen halten am Bekannten fest nicht aus Faulheit, sondern aus Selbstschutz.
In der Psychologie nennt man das „kognitive Verzerrung durch Erfahrung“: Je öfter etwas funktioniert hat, desto mehr glauben wir, dass es immer funktionieren wird.
Bei Unternehmern ist dieser Effekt besonders stark ausgeprägt. Ihr Erfolg ist selbst erarbeitet und das Loslassen alter Muster fühlt sich manchmal wie Verrat am eigenen Weg an.
Praxisbeispiel:
Ein Geschäftsführer hat ein bestimmtes Vertriebskonzept selbst entwickelt und damit den größten Kunden gewonnen. Obwohl der Markt sich verändert hat, hält er daran fest und verliert langsam Marktanteile.
Vielleicht kommt dir das bekannt vor:
Dein Team ist motiviert, aber die Dynamik fehlt
Projekte dauern länger als geplant
Strategische Themen bleiben liegen, weil das Operative alles auffrisst
Du willst Veränderung, findest aber keinen Hebel
Nach außen läuft alles „reibungslos“. Intern aber blockieren alte Routinen Entwicklung unsichtbar, aber spürbar.
Tipp:
Führe einmal im Jahr einen „Routine-Check“ durch, bei dem alle wiederkehrenden Abläufe auf ihren Nutzen und ihre Aktualität geprüft werden.
Veränderung im Unternehmen bedeutet nicht, alles über Bord zu werfen.
Es bedeutet, bewusst zu entscheiden, was bleibt und was gehen darf.
Prozesse, die aus einer anderen Zeit stammen
Denkweisen wie „Das haben wir immer so gemacht“
Verantwortung, die du delegieren könntest
Kontrolle, die dein Team lähmt
Deine Führungsverantwortung für klare Entscheidungen
Deine Werte als Unternehmer: Verlässlichkeit, Vertrauen, Qualität
Den Blick für das, was dich motiviert und antreibt
Falls nicht: streichen oder anpassen.
Falls nicht: überdenken.
Falls ja: delegieren.
Viele Unternehmer haben Angst, durch Veränderung das System zu destabilisieren.
Doch es geht nicht um Revolution. Es geht um Neugestaltung mit Augenmaß.
So kann es gelingen:
Transparente Analyse:
Was sind deine wiederkehrenden Probleme? Welche Abläufe kosten mehr Energie, als sie bringen?
Reflexion deiner Rolle:
Wo blockierst du unbewusst durch deine Erfahrung? Was willst du ungern loslassen – und warum?
Raum für Neues:
Wer im Unternehmen könnte mehr Verantwortung übernehmen? Welche alten Themen kannst du abschließen?
Externer Impuls:
Ein neutraler Blick von außen bringt Klarheit, wo du selbst betriebsblind geworden bist.
Klein anfangen
Große Umbrüche erzeugen Widerstand. Fang mit einem Bereich an, in dem der Nutzen klar erkennbar ist.
Transparenz schaffen
Kommuniziere, warum die Veränderung nötig ist und welchen Vorteil sie bringt.
Beteiligung ermöglichen
Mitarbeitende, die mitgestalten dürfen, setzen neue Abläufe motivierter um.
Erfolge sichtbar machen
Feiere kleine Fortschritte das verstärkt die Akzeptanz.
Führungskräfte haben eine Schlüsselrolle, wenn Routinen im Unternehmen angepasst oder ersetzt werden sollen.
Vorleben: Wer selbst offen für Neues ist, überzeugt andere leichter.
Rahmen schaffen: Neue Routinen brauchen Ressourcen, klare Zuständigkeiten und Zeit.
Feedback einholen: Regelmäßige Rückmeldungen zeigen, ob die Veränderung wirkt oder angepasst werden muss.
Beispiel:
Ein Produktionsleiter führte eine neue Schichtübergabe mit digitalem Übergabeprotokoll ein. Zuerst gab es Skepsis nach drei Monaten war die Fehlerquote um 20 % gesunken.
Haben wir Abläufe, die niemand mehr hinterfragt?
Gibt es Prozesse, die Zeit kosten, ohne klaren Nutzen zu bringen?
Wissen neue Mitarbeitende, warum bestimmte Schritte so gemacht werden?
Haben wir Raum für Experimente und Verbesserungen?
Prüfen wir Routinen regelmäßig oder nur, wenn es Probleme gibt?
Routinen im Unternehmen sind Teil der Kultur. Sie beeinflussen, wie Entscheidungen getroffen, Probleme gelöst und Erfolge gefeiert werden.
Wenn alte Routinen verändert werden, verändert sich automatisch auch die Kultur – manchmal schleichend, manchmal spürbar.
Deshalb ist es wichtig, bei Veränderungen auch die Werte und die gewünschte Kultur im Blick zu behalten.
Routinen im Unternehmen sind wertvoll solange sie dich voranbringen.
Sie werden zum Problem, wenn sie unbemerkt Entwicklung verhindern.
Der Schlüssel liegt darin, regelmäßig innezuhalten und zu prüfen:
Was hilft uns noch? Und was blockiert uns?
Denn das Loslassen veralteter Muster ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von unternehmerischer Stärke und oft der Startschuss für den nächsten großen Erfolg.
Ein Gedanke, eine Idee oder ein Aha-Moment, direkt aus der Praxis.