Vereinbarkeit Familie und Unternehmertum – Carsten Kettler mit Sohn, Daumen hoch, Symbol für Balance zwischen Führung und Familie.

Vereinbarkeit Familie und Unternehmertum: Wenn ich ehrlich bin, hatte ich nie Zeit für meine Kinder

Es war ein warmer Sommertag im Jahr 2003.

Ich war Vertriebsleiter in einem Konzern und saß mit einem etwa zwanzig Jahre älteren Abteilungsleiterkollegen in der Kantine. Wir kamen ins Gespräch über unsere Kinder.

Er sagte zu mir:

„Wenn ich ehrlich bin, hatte ich nie Zeit für meine Kinder. Ich war immer früh raus und spät zurück. Meine Frau hat das alles gemanagt und sie hat das großartig gemacht. Aber jetzt merke ich, wie viel ich verpasst habe. Und das tut weh.“

Ich war damals 35, mein Sohn Luke gerade zwei Jahre alt.

Und in diesem Moment wusste ich: Das will ich für mich nicht erleben.

Zwei Lebensziele. Ein scheinbares Dilemma?

Ich wollte zwei Dinge erreichen:

  1. Dass mein Sohn, wenn er erwachsen ist, gerne Zeit mit mir verbringt.

  2. Dass ich beruflich überdurchschnittlich leiste und andere Menschen weiterentwickle.

Ein klarer Wunsch und gleichzeitig ein scheinbarer Widerspruch.

Denn Karriere und Kind, Verantwortung und Beziehung, Performance und Präsenz. Das passt oft nicht einfach so zusammen.

Viele Unternehmer erleben genau dieses Spannungsfeld: Das Geschäft fordert alles, die Familie ebenso. Und genau hier liegt die große Frage der Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum.

Warum Vereinbarkeit im Mittelstand so schwer fällt

Gerade im Mittelstand ist das Thema besonders herausfordernd.

Denn hier gibt es selten riesige Management-Teams, die Verantwortung verteilen.

Oft hängt vieles manchmal fast alles am Unternehmer selbst.

Das bedeutet:

  • Jeder Kunde erwartet persönliche Präsenz.

  • Jede Entscheidung landet auf dem Tisch des Chefs.

  • Jeder Konflikt wird „oben“ gelöst.

Das Ergebnis: Viele Unternehmer fühlen sich gefangen in einer Rolle, in der sie alles sein müssen und am Ende bleibt weder Zeit noch Energie für die Familie.

Was ich konkret geändert habe schon damals, als Angestellter

Mir war klar: Ich kann die Welt nicht ändern. Aber ich kann meine eigene Arbeitsweise ändern.

Also habe ich Strukturen geschaffen, die mir Luft verschaffen:

  • Fokus auf das Wesentliche: Mein Job war Vertrieb, also lag mein Fokus auf Kunden und Prozessen. Alles andere war Beiwerk.

  • Die ersten zwei Stunden des Tages gehören mir: Kein Telefon, keine Mails, keine Störung. Nur konzentriertes Arbeiten an den wichtigsten Themen.

  • Klare Kommunikationsregeln im Team: Ich konnte nicht den ganzen Konzern beeinflussen, aber mein Team, ja.

  • 30 % Puffer im Kalender: Für das Unerwartete. Immer.

  • Jede Besprechung endet mit Klarheit: Wer macht was, mit wem, bis wann schriftlich dokumentiert.

  • Nur relevante Berichte: Alles, was ich lese, hat Wert. Alles andere wird gestrichen.

Das war mein Weg zu mehr Zeit, nicht durch weniger Verantwortung, sondern durch mehr Klarheit.

Kind und Karriere: Warum mein Sohn immer wieder mit ins Büro kam

Ich wollte nicht nur pünktlich zum Abendessen da sein.

Ich wollte, dass mein Sohn versteht, was ich tue, wenn ich nicht bei ihm bin.

Also nahm ich ihn  ab dem Alter von zwei Jahren  mindestens einmal im Jahr mit zur Arbeit.

  • Anfangs nur für eine Stunde, an einem ruhigen Tag.

  • Später auch mal mehrere Stunden.

  • Als Teenager sogar ganze Arbeitstage, wenn richtig etwas los war.

Viele sagten damals:

„Das versteht der doch nicht.“

„Das ist doch viel zu langweilig.“

„Das ist doch keine Umgebung für ein Kind.“

Aber ich wusste: Verbindung entsteht nicht erst, wenn Kinder erwachsen sind. Sie entsteht genau dann, wenn sie klein sind.

Heute ist Luke 24, lernt Business außerhalb unserer Unternehmen und ist ein aktiver Teil von KETCO.

Was Familie Unternehmern wirklich zurückgibt

Viele Unternehmer denken: Familie nimmt Zeit weg.

Meine Erfahrung: Familie gibt Energie zurück.

Wenn ich in anstrengenden Phasen bewusst Zeit mit meinem Sohn verbracht habe, war das keine Ablenkung. Es war die beste Investition in meine eigene Widerstandskraft.

Denn Familie erinnert uns an das „Warum“.

Und ohne dieses „Warum“ wird Unternehmertum zur reinen Tretmühle.

Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum. Drei zentrale Lektionen

Über die Jahre habe ich drei Dinge gelernt, die ich heute weitergebe:

  1. Struktur schafft Freiheit

    Wer bewusst plant, schafft Raum für das, was wirklich zählt. Chaos frisst nicht nur Zeit, sondern auch Beziehungen.

  2. Präsenz ist wichtiger als Dauer

    Kinder merken sofort, ob man wirklich da ist. Zwei konzentrierte Stunden sind mehr wert als zehn Stunden mit ständigem Blick aufs Handy.

  3. Arbeit darf sichtbar sein

    Wenn Kinder miterleben, was Eltern tun, verstehen sie Verantwortung und können stolz darauf sein.

 

Warum viele Unternehmer scheitern

Die meisten scheitern nicht an fehlendem Willen.

Sondern daran, dass sie keinen Rahmen schaffen.

  • Keine klaren Grenzen zwischen Arbeit und Familie.

  • Keine Regeln, wann das Handy aus bleibt.

  • Kein bewusstes Einplanen von Familienzeit im Kalender.

Und am Ende passiert genau das, was mein damaliger Kollege in der Kantine so schmerzhaft formulierte: Man merkt zu spät, was man verpasst hat.

Heute: Wenn Arbeit und Familie sich ergänzen

Heute blicke ich zurück und bin dankbar, dass ich damals entschieden habe, es anders zu machen.

Mein Sohn hat mich nicht nur als Vater erlebt, sondern auch als Unternehmer.

Und genau diese Verbindung macht uns heute stark: Wir teilen gemeinsame Werte, haben gemeinsame Gesprächsthemen und auch wenn er seinen eigenen Weg geht, bleibt die Nähe bestehen.

Für mich ist das die eigentliche Essenz der Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum: Nicht ein perfektes Gleichgewicht, sondern eine bewusste Gestaltung, die beiden Seiten gerecht wird.

Fazit: Familie ist kein Risiko, sie ist die größte Ressource

Viele Unternehmer haben Angst, dass zu viel Familienfokus ihrem Geschäft schadet.

Meine Erfahrung ist das Gegenteil: Wer seine Familie ernst nimmt, wird auch ein besserer Unternehmer.

Denn Klarheit, Empathie, Geduld – all das lernt man im Familienalltag.

Und genau das sind die Qualitäten, die auch im Unternehmen gebraucht werden.

Wenn der Sohn später sagt:

„Ich habe verstanden, was du tust und ich fand es gut.“

Dann ist das eines der größten Geschenke, die du als Unternehmer-Vater bekommen kannst.

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