Gestern beim Mittagessen fragte mich ein Büronachbar, wie wir es schaffen, als „kleines“ Team aktuell in jedem Monat zusätzlich zu unserem Tagesgeschäft ein Event mit etwa 100 Menschen durchzuführen. Im Januar in Köln, im Februar in Aachen, im März in Dresden – und dabei alle immer locker und entspannt wirken.
Kleiner Spoiler: Wir sind es tatsächlich – zumindest fast immer. 😉
Er selbst arbeitet jeden Tag mehr als 10 Stunden und hat trotzdem den Eindruck, nicht voranzukommen. Im Laufe unseres Gesprächs kam heraus, dass er nahezu alles persönlich kontrolliert, was seine Mitarbeitenden tun (sollen). Zusätzlich nimmt er Aufträge aus Gefälligkeit an, obwohl er weiß, dass diese viel zu viel Arbeit für zu wenig Geld bedeuten. Sein Schreibtisch ist gefühlt immer zu voll, und ein Ende ist nicht in Sicht. Das kenne ich aus eigener Erfahrung in der Vergangenheit nur zu gut.
Immer alles richtig machen zu wollen, perfekt zu liefern, keinen Kunden zu verlieren – das ist in vielen mittelständischen Unternehmen Standardanspruch. Doch ist das realistisch? Oder eher kontraproduktiv? Meiner Erfahrung nach ist es schlicht unmöglich, dauerhaft alles perfekt im Griff zu haben. Es sollte auch nicht das Ziel einer Firma sein.
Als ich 2004 – noch als angestellter Verkaufsleiter – einmal völlig frustriert nach einem sehr langen Arbeitstag meinen E-Mail-Account ansah, wollte ich am liebsten den PC vom Tisch stoßen.
100 E-Mails im Posteingang an einem Tag – und ich hatte gerade einmal 35 geöffnet. Ich war 36 Jahre alt, mitten auf der Karriereleiter, aber der Preis war hoch: psychische und physische Belastung, Dauerstress, keine Zeit zum Nachdenken.
Ich lief zum Standortleiter, der noch im Haus war, und bat ihn, mitzukommen. Ich wollte ihm etwas „Unglaubliches“ zeigen. Er kam mit, ich zeigte ihm meinen Posteingang und fragte: „Glaubst du, dass mir das Unternehmen über 100.000 Euro im Jahr zahlt, um 100 E-Mails täglich zu lesen?“
Er lachte. Und dann sagte er den entscheidenden Satz:
„Willst du mal bei mir in den Posteingang schauen?“
Dieser Mann verantwortete damals über 1 Milliarde Euro Umsatz und mehrere hundert Mitarbeitende. Und doch war er einer der entspanntesten Menschen im ganzen Haus. Warum?
Weil er Zeitmanagement verstanden hatte. Nicht als Tool, sondern als Haltung.
Er gab mir damals diese Tipps mit auf den Weg – und ich lebe sie bis heute:
Wer viele E-Mails schreibt, erhält auch viele. Frage dich: Muss diese Nachricht überhaupt geschrieben werden?
Berichte, die du nicht liest, solltest du nicht in Auftrag geben.
Wähle dein Personal sorgfältig aus. Stelle Menschen ein, die wirklich Interesse an der Aufgabe haben – und lässt sie eigenständig arbeiten.
Nutze Tools zur Priorisierung. Ich selbst arbeite seit Jahren mit dem Microsoft Planner in Teams. Er hilft mir, Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlichkeit zu ordnen.
Vertraue deinem Personal. Du hast es selbst eingestellt.
Stelle Fragen statt Anweisungen zu geben. Zum Beispiel: „Wie könnten wir das besser, leichter oder schneller lösen?“
Plane bewusst Pausen ein. Gerade dort entstehen oft die besten Ideen.
Lehne unprofitable Aufträge konsequent ab. Nein sagen ist ein Erfolgsfaktor.
Wenn Mitarbeitende Rat suchen, bitte sie vorher zwei eigene Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Das fördert Verantwortung und Eigeninitiative.
Was mir damals paradox erschien, ist heute meine Arbeitsrealität:
Weniger Reaktion, mehr Konzentration. Weniger Kontrolle, mehr Vertrauen.
Ich arbeite heute mit mehr Struktur, weniger Stress und besserem Output als je zuvor. Warum? Weil ich den Anspruch aufgegeben habe, alles selbst machen oder kontrollieren zu müssen. Zeitmanagement im Mittelstand bedeutet nicht, dass alles schneller gehen muss. Es bedeutet, dass das Wichtige zuerst kommt – und das Unwichtige auch mal liegenbleiben darf.
Viele denken, sie hätten keine Wahl. „Wenn ich es nicht mache, macht es keiner.“ Dieser Satz ist in vielen Unternehmen allgegenwärtig. Doch: Wer alles selbst löst, wird unersetzlich – und gleichzeitig zur größten Wachstumsbremse im eigenen Unternehmen.
Was hilft:
Delegieren statt Korrigieren
Loslassen statt Micromanagement
Rollen klären statt Aufgaben sammeln
Systeme schaffen statt alles selbst tragen
Zeitmanagement im Mittelstand beginnt nicht mit ToDo-Listen, sondern mit einem inneren Perspektivwechsel.
Wie sieht es in Ihrem Alltag aus?
Reagieren Sie mehr, als Sie gestalten?
Sitzen Sie zu viel in Meetings, die andere einberufen haben?
Haben Sie den Eindruck, am Ende des Tages viel gemacht, aber nichts bewegt zu haben?
Dann ist es Zeit, etwas zu verändern. Und zwar nicht alles auf einmal, sondern mit kleinen, bewussten Schritten.
Zeitmanagement im Mittelstand ist keine Zauberei. Es ist auch kein Softwareproblem. Es ist eine Frage von Fokussierung, Vertrauen und Prioritäten.
Ich bin heute sehr dankbar, dass mir jemand damals den Spiegel vorgehalten hat. Vielleicht war dieser Blogartikel genau das für Sie?
Wenn Sie das Gefühl haben, dass „alles zu viel“ ist und „nichts richtig vorankommt“, dann lassen Sie uns sprechen. Vielleicht ist weniger tun genau der Hebel, um mehr zu erreichen.
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